Vor Jahren war ich selbst im Urlaub um Effektivität bemüht, ganz nach dem Motto: möglichst viel Aktivität in kürzester Zeit. Eintausend Kilometer Radfahren von Prag nach Hamburg in zehn Tagen hat natürlich Freude gemacht, war aber irgendwie auch geprägt von Wettbewerb. Seit wir als Familie reisen, stellen wir uns im Urlaub den manchmal sehr unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen von fünf Personen. Heute wechseln wir geplante Aktivitäten ab mit Tagen am Strand oder Freibad. Wir lassen uns vom Geschehen überraschen und wenn ich einen Tag lang mit nichts anderem beschäftigt bin, als dem Wellenrauschen zuzuhören, öffnet sich die Tür für etwas ganz Wunderbares, nämlich für Langeweile und damit auch für Kreativität.
Dabei hat sie grundsätzlich keinen guten Ruf, die Langeweile. Sie nervt üblicherweise und sorgt für Unzufriedenheit. Doch mal ganz ehrlich: Wann langweilen wir uns denn eigentlich noch? Selbst im Urlaub tun wir alles, damit wir nicht mit Langeweile konfrontiert werden. Und da es mittlerweile fast überall WLAN gibt, muss sich wirklich niemand mehr vor ihr fürchten. Dabei ist Langeweile doch gesund und macht kreativ!
Urlaub ist für mich verbunden mit dem Gefühl, alle Zeit und auch Möglichkeiten der Welt zu haben, ohne unbedingt wirklich alles in die paar Tage freie Zeit hineinpressen zu müssen. Ich liebe allein schon den Gedanken, planlos in den Tag hinein leben zu können und die Welt um mich herum neugierig zu entdecken. Deswegen hat sich für mich bewährt, mir nicht all zu viel vorzunehmen. Ich lasse die freie Zeit auf mich zukommen – ohne Ungeduld und ohne Angst vor Langeweile. Gerade für meine Kreativität brauche ich Zeit vor mir, am allerbesten sehr viel freie, unverplante Zeit. Es ist mehr eine Vorstellung, aber es ist die Zeit, die mir erlaubt, ohne Richtung und Ziel um eine Idee, ein Projekt oder was auch immer zu kreisen. Daraus kann dann etwas Neues entstehen.
Mein Tipp für bewusste Zeiten des Müßiggangs und der Langeweile (auch für den Alltag zu Hause):
Richte dir in deinem Kalender Zeiten ein, die nicht besetzt sind, Blöcke für freie Zeit. Am besten ab und zu einen ganzen Tag. Einen Tag an dem du am Morgen nicht weißt, was du bis zum Abend getan haben wirst. Dieses ist Luxus pur – insbesondere, wenn du Familie hast. Du kannst das aber auch zusammen mit deinem Partner oder Partnerin machen.
Immer, wenn du an diesem Tag etwas machen möchtest, gehe einen Moment in dich und frage dich: Will ich das wirklich oder mache ich das nur, weil mir nichts anderes einfällt? Was habe ich noch nie gemacht, was könnte ich machen, was ganz anders ist, als was ich sonst mache? Beziehungsweise, wenn du es mit deinem Partner/in machst, fragt ihr euch das gemeinsam.
Du wirst sehen, es ist schwerer als du denkst. Wir Menschen haben die Angewohnheit immer wieder in unsere Muster zu fallen. Wenn dir ein Tag zu lang ist, mache es einen halben Tag. Das ist auch schon etwas Wunderbares und deine Kreativität blüht auf.
Urlaub ist die ideale Zeit, um herauszufinden, was Langeweile bewirken kann. Das Zauberwortdafür lautet Abschalten. Handy, Laptop und dann den Kopf. Erst bei aufkeimender Langeweile fällt auf, welche Ideen und Passionen eigentlich in einem schlummern. Also – raus in die Natur, weniger online sein. Stille einladen, Reizüberflutung ausladen. Sich öfter der eigenen Muse hingeben und schauen, was passiert, anstelle alles kontrollieren zu wollen und konstant unter Druck, Ablenkung und mithilfe von Multitasking das Leben zu koordinieren.
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