Über Nacht sind die Töchter aus ihren Kinderklamotten gewachsen. Schon tage-, ach, was sage ich, wochenlang wird gedrängelt. Sie zeigen sich unzufrieden über den derzeitigen Bestand. Auch Mädchen unter 12 Jahren scheinen es schon zu kennen: sie haben Kleider für 7 Kinder in 5 verschiedenen Größen und für 6 Jahreszeiten im Schrank, doch nur äußerst selten ist das für die Tagesform Passende dabei. Zudem merke ich: sie suchen nun ihren eigenen Stil. Die Klassenkameradinnen sind größer und schon viel pubertärer als meine Beiden. Sie wollen ausprobieren.
Gestern also ist es soweit: wir gehen shoppen. Das kühle, verregnete Wetter widerspricht diesem Gedanken nicht. Vorher klären wir, was eigentlich benötigt wird und was ihre Erwartungen an mich sind, außer dass ich bezahle. „Du bist unsere Assistentin. Du bringst uns die Sachen und wir probieren.“
Ich nicke. Aufgabe verstanden.
Es ist kein leichter Job. Ich wühle mich durch Kleidergrößen, halte ein süßes Teil nach dem anderen in die Höhe, reiche durch Vorhänge hindurch. Räume weg, bringe Neues. Die zwei giggeln und gackern. Probieren gewagte Oberteile und knappe Hosen. Hatte ich früher auch. Da war ich aber älter. Meine ich zumindest.
Ich warte auf der anderen Seite des Vorhanges. Eine völlig neue Erfahrung. Als mein Blick durch den Laden streift, fällt mein Blick auf Mode für werdende Mütter und Babykleidung. War ich da nicht gerade erst? Ist es wirklich schon 11 Jahre her? Wo ist die Zeit geblieben?
Als sich der Vorhang öffnet, sehe ich meine Mädchen: So bezaubernd, so viel größer und älter als noch vor einer Stunde. Irgendwo zwischen Kind und Teenie. „Sieht das nicht cool aus, Mama?“ Und obwohl ich ihre besondere Schönheit ganz anders in Worte fassen würde, antworte ich: „Ja, cool, wirklich sehr, sehr cool, mein Schatz.“
Zufrieden und strahlend verlassen wir den Laden. Jetzt haben sie endlich wieder einen Kleiderschrank voll mit nix zum Anziehen. Der Sommer kann kommen, meine Mädchen wären so weit.
Foto: unsplash | Baby natur