Gestern Abend übe ich mit meiner Tochter noch ein bisschen Französisch.
Verben konjugieren und die Vokabeln der letzten Lektion.
Und ich freue mich, dass diese schöne Sprache wieder in mir zum Klingen gebracht wird.
Auch mein Jüngster sitzt daneben und lauscht unserem Hin und Her.
Heute Morgen rückt er auf der Küchenbank noch schlaftrunken ganz nah an mich heran.
Und fragt: „Mama, können wir beide mal zusammen nach Paris fahren?“
Und ich sage: „Ja, das können wir. Vielleicht nicht mehr in diesem Jahr, aber bald.“
Und er erzählt mir, was er da möchte:
In einer kleinen Herberge übernachten.
Morgens gehen wir zum Bäcker und holen Baguette.
Dazu noch Croissants.
Das essen wir zum Frühstück und ich bekomme einen Milchkaffee.
Dann spazieren wir in der Stadt und werden immer den Eiffelturm im Blick haben.
Und wenn wir wollen, werden wir ihn vielleicht sogar besteigen.
Wir haben ganz viel Zeit und das Leben ist leicht, so stellen wir es uns vor.
Da sitzen wir zwei nun heute Morgen.
Die Zeit drängt, noch zehn Minuten und er muss zum Bus.
Er wird eine Deutscharbeit schreiben und das Gelernte zu Papier bringen.
Das wird er schaffen.
Denn wir –
wir waren heute Morgen schon in Paris!
Ich weiß heute noch nicht, wann wir nach Paris fahren können.
Vielleicht müssen wir auch gar nicht dort hinfahren.
Denn ich kann mir heute ein Paris schaffen, meine Insel im Meer des Lebens.
Dort gehe ich an Land und übe mich im Savoir-vivre:
Ich bleibe fünf Minuten länger liegen.
Schlafe vielleicht sogar noch einmal ein.
Bewege mich langsam.
Mache zwischendurch immer mal wieder eine Pause.
Lasse die vielen Möglichkeiten verstreichen.
Bleibe sitzen und träume vor mich hin.
Hänge den Gedanken hinterher.
Schaue den fallenden Blättern zu.
Trinke den Café au lait.
Schluck für Schluck.
Ich bin da.
Auf meiner Insel im Meer des Lebens.
In Paris.
Foto: unsplash | Veronika Jorjobert