Zwischen Jubel und Hass

Liebe Helena! 

Deine Mama hat mir erzählt, dass Ihr am Wochenende den Ostergarten in eurer Nähe besucht habt und dass das richtig schön für euch alle war. Das freut mich sehr! 

Danach hast du deiner Mama eine Frage gestellt, die sie dir nicht einfach so auf die Schnelle beantworten  konnte und sie hat mich gefragt, ob ich vielleicht eine Antwort darauf weiß. 

Du wolltest wissen, wie es sein konnte, dass damals Jesus an Palmsonntag zugejubelt wurde und er dann wenige Tage später so sehr leiden musste, weil genau die Menschen, die ihn gerade noch mochten, plötzlich gehasst haben und verlangt haben, dass er gekreuzigt wird. 

Das ist wirklich nicht leicht zu verstehen, aber ich habe eine Idee warum das so gewesen sein konnte und versuche es dir jetzt zu erklären. 

Zuallererst sollten wir gemeinsam darüber nachdenken, dass Jesus gleichzeitig Gott war und ist. Jesus kam als Kind zur Welt, wurde erwachsen und ein Mann, war also ein richtiger Mensch – so wie du und ich. Trotzdem war er Gott selbst! Gott hatte nämlich die Idee den Menschen auf der Erde zu zeigen, wer er ist und wie er ist und kam deshalb in Jesus, als kleines Baby im Stall von Bethlehem zur Welt. So konnten alle endlich Gott sehen und begreifen:

So wie Jesus ist, so ist Gott!

Jesus lebte also auf dieser Erde, hatte Freunde, erzählte den Menschen von Gott und wie er sich das Zusammenleben der Menschen vorstellt und er machte viele kranke Menschen gesund. 

Dabei war es Jesus aber immer ganz wichtig zu schauen, ob Gott das so gefällt was er da auf der Erde macht, er hat ganz oft gesagt: „Ich brauche jetzt mal Ruhe und möchte beten um zu hören, was Gott so mit mir vorhat.“ Jesus hat also ganz sicher immer das gemacht, was Gott wollte, deshalb sagt man auch, dass er wohl der einzige Mensch auf dieser Erde war, der niemals etwas falsch gemacht hat oder gesündigt hat, wie man das auch manchmal nennt. 

Irgendwann, im Laufe der Zeit, hat Jesus immer deutlicher gemerkt, dass Gott einen Plan mit ihm und den Menschen hat und dass Jesus einen Auftrag bekommen hat, den er auf der Erde ausführen soll. Gott wollte nämlich mit Jesus so etwas wie eine Brücke schaffen zwischen ihm und den Menschen. Die ganze schlimme Schuld, jedes böse Wort, jeder gehässige Gedanke trennt uns von Gott. Er findet das einfach nicht gut, dass wir uns hier auf der Erde streiten und jeder nur schaut, dass es ihm selbst gut geht und wir aufhören uns umeinander zu kümmern. Diese ganze Schuld sollte nun nach Gottes Plan Jesus tragen und dafür am Kreuz sterben. Jesus sollte also sterben, damit die ganze Schuld der Menschen damals, aber auch unsere Schuld von uns Menschen heute weg ist und wir ganz unkompliziert zu Gott kommen können. Für uns ist das völlig umsonst! Aber Jesus sollte dafür sterben. Das war der Plan. 

Und Jesus war ziemlich gehorsam gegenüber Gott und hat gesagt: „Muss das sein? Es ist nicht schön für mich was du da planst, aber gut, wenn du das möchtest, dann mache ich mit.“

Die Menschen im damaligen Israel haben schon sehr, sehr lange auf einen guten König gewartet. Das Volk hat durch die Unterdrückung der Römer und durch viele andere Umstände so viel Schlimmes erlebt, dass sie einfach gerne mal wieder einen eigenen König gehabt hätten. Wie stellst du dir einen König vor? Sicher genauso wie die Israeliten damals. Ein König muss schön sein und stark. Er muss für Ordnung sorgen und für Gerechtigkeit im Land. So, dass es allen gut geht. Die Israeliten hätten auch am allerliebsten einen König gehabt, der so richtig kämpferisch daherkommt und sie befreit von der Unterdrückung der römischen Soldaten.

Sie haben sich so sehr nach Erlösung gesehnt! 

Und dann, als sie Jesus kennengelernt haben, haben sie jeden Tag erleben können, wie Jesus richtige Wunder tut unter den Menschen. Leute haben sich verändert, sind wieder glücklich und zufrieden und gesund geworden, einfach weil Jesus ihnen nahe war und mit ihnen gesprochen hat. Manche Menschen haben auch nur von anderen gehört, dass es den Jesus gibt und haben sich dann innerlich ausgedacht, was das für ein toller Mann sein muss. Da konnte es passieren, dass sie ganz fantasievoll gedacht haben, das ist nun endlich der große, starke und mächtige König, auf den sie schon so lange warten und von denen ihnen schon ihre Oma und ihr Opa erzählt haben. Sie haben sich doch so sehr gesehnt und deshalb haben sie auch ein bisschen ihre Wünsche und die Tatsachen vermischt. Denn Jesus war wirklich der König, auf den alle gewartet haben, nur kam er eben gar nicht als großartiger, stolzer König daher, sondern sehr sanft und ruhig und bescheiden. Er wollte gar nicht so viel Aufsehen erregen, das war ihm eher unangenehm.

Jesus hatte keinen Palast, nicht viel Geld, keine edlen Kleider und ritt nicht auf schönen Pferden und er hatte überhaupt keine scharfen und tödlichen Waffen bei sich.

Als dann Jesus an Palmsonntag nach Jerusalem kam, war er sehr beliebt bei den meisten Menschen. Er hatte auch Feinde, die ihn nicht mochten, aber an dem Sonntag standen die Menschen am Straßenrand und jubelten ihm zu. Sie riefen „Hosanna!“, das ist aramäisch und heißt:

„Herr, hilf doch!“

Es war also ein Jubeln und gleichzeitig ein großes Flehen um Hilfe.

Ja, die Menschen jubelten, aber irgendwie jubelten sie ein bisschen zu sehr ihren eigenen Vorstellungen von Jesus zu. Sie jubelten Jesus zu, weil sie dachten, dass ist der König, der die Römer jetzt zur Vernunft bringt und durch Waffen und Gesetze macht, dass die Not ein Ende hat.

Nur ein paar Tage später haben die Leute plötzlich gemerkt, dass Jesus ganz anders war, als sie sich das gedacht haben. Seine Feinde haben ihm eine Falle gestellt und selbst seine eigentlich besten Freunde haben ihn verlassen und einer hat ihn sogar an die Römer verraten. Es wurde behauptet, Jesus würde sich über Gott lustig machen und das war damals ein Grund, jemanden zu töten. 

Jesus war ganz ruhig bei allem, was dann passierte. Er hatte zwar auch Angst aber er wusste innerlich, dass Gott einen guten Plan hat und er vertrauen kann, auch wenn er dafür sterben muss.

Nun haben die Menschen in Jerusalem also gemerkt, dass dieser Jesus in Schwierigkeiten kommt und angeklagt wird. Und ab dem Zeitpunkt war er bei den Leuten nicht mehr beliebt. „Was soll dass denn für ein König sein?“, dachten sie. „Wie soll er uns denn helfen, wenn er sich jetzt nicht mal selbst helfen kann?“. Mit so einem wollten sie plötzlich nichts mehr zu tun haben und so wurden aus den Jubelrufen vom Sonntag schließlich die furchtbaren Schreie ihn zu kreuzigen und zu töten.

So kam es also dazu, dass Jesus sterben musste, obwohl er wenige Tage vorher noch so freudig und herzlich in Jerusalem begrüsst wurde. Es ist ein bisschen so wie bei einer Freundschaft, bei der man schon mal dachte, die hält ewig, nichts könnte einen von dieser guten Freundin trennen. Aber dann, wenn man in Schwierigkeiten kommt, zum Beispiel krank wird oder so, ist man plötzlich nicht mehr interessant genug oder macht nur Mühe und dann lässt einen die Freundin plötzlich fallen und man ist alleine. So in etwa kannst du dir das vorstellen.

Die Geschichte endet ja ein bisschen traurig mit dem Tod am Kreuz, findest du auch?

Aber ihr wart ja im Ostergarten und der Garten heißt Ostergarten, weil es ja doch ein fröhliches Ende gibt!

Jesus war nur zwei Tage lang tot und ist am dritten Tag wieder lebendig geworden und auferstanden von den Toten.

Das feiern wir nächsten Sonntag! Ein echter Grund zur Freude, denn so hast auch du das Versprechen erhalten, dass der Tod nicht das letzte Wort hat und auch dein Leben niemals zu Ende geht. Irgendwann dann leben wir halt im Himmel und dürfen diesen Jesus mit eigenen Augen sehen. Ich bin sehr gespannt darauf, wir das mal sein wird.

Liebe Helena, das ist jetzt doch ein sehr langer Brief geworden. Aber du hast eine wirklich kluge und etwas komplizierte Frage gestellt und darauf gibt es nun mal nicht immer einfache und schnelle Antworten. Ich bin gespannt, ob dir das ein bisschen weitergeholfen hat und wünsche dir und deiner ganzen lieben Familie fröhliche Ostern!

Deine Irene

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