Ich habe euch diese Woche einen Text zugemutet, der mich in meiner Schwäche gezeigt hat. Es ging um die stürmischen Zeiten mit einem siebenjährigen Jungen. In Ehrlichkeit habe ich beschrieben, wie es an manchen Tagen läuft bei uns. Wir feiern nicht ständig Kindergeburtstag.
Seit ich öffentlicher schreibe, laufen manche Telefonate und manches Gespräch anders.
„Du schreibst schöne Sachen!“, heißt es dann. „Na, und du weißt jetzt, was hier bei uns so los ist!“ antworte ich. Und kaum hatte ich den Text über den vergangenen Dienstag gepostet, ruft mich ein sehr gerührter Familienvater an. Er erlebt das Gleiche, ebenfalls immer wieder. Es ist ja nicht nur für die Mütter eine schöne Herausforderung ihre Kinder zu begleiten, auch die Väter kommen gelegentlich an ihre Grenzen. Und erlebt man diese Schwäche, das Versagen nicht auch in jeder anderen Form von Beziehung? In der Ehe, Freundschaft, unter Kollegen?
Aber es war mein Junge, über den ich geschrieben habe. Er, der sich jetzt schon nach außen hin so cool und lässig gibt. Ein Junge, durch und durch. Laut und anstrengend. Der seine Muskeln trainieren will. Ein ganz Großer im Fußball werden möchte. Innen aber so ein großes Herz, voller Empathie und Liebenswürdigkeit, besitzt. Das Kind, das noch am häufigsten auf meinem Schoß sitzt und intensiv kuschelt. Ich erlebe das Leben mit ihm anders als mit den zwei Mädchen. Ich habe deutlich mehr Sorge, seinen Bedürfnissen nicht gerecht werden zu können. Dem sich Kloppen aus Spaß und Zeitvertreib. Dem Sprücheklopfen. Dem Coolsein. Dem Aufschneiden. Den (Wut-)tränen. Der Unsicherheit. Diesem unbändigem Bewegungsdrang. Dem Lautsein. Dem Wildem.
Ich wünsche mir als Jungsmuttеr immer wieder, dass ich sein gutes Herz hinter der harten Schale erblicke. Seine Jungstränen so trockne, wie die der Mädchen. Seine Bedürfnisse hinter den coolen Sprüchen spüre. Seine weiche, verletzliche Seite bestärke. Mit ihm das Reden und Benennen von Dingen übe. Das Schweigen zeige. Klar und deutlich bin. Im richtigen Moment die Arme öffne.
Ich bin ja nicht allein. Das Kind hat einen Papa, der zwar auch nicht perfekt ist, aber sehr präsent. Er hat Freunde. Eine tolle Lehrerin. Einen himmlischen Papa, der ihn bis an sein Lebensende so liebt, wie ich es nie werde schaffen können.
Mein Vater meinte gestern am Telefon: „Lass ihn an der langen Leine laufen.“ Ja, vielleicht ist es jetzt genau das Richtige: die Leine weiter zu lockern und vielmehr zum sicheren Hafen zu werden.
Heute Nachmittag kam der Junge nach einem Fahrrad-Wald-Abenteuer-Ausflug mit seinen Schwestern zurück. Vor der Haustür steht er, mit großen, strahlenden Augen. Gespannt auf meine Reaktion. In der Hand einen Strauß Feldkamille. Vom Wegesrand gepflückt. „Hier, Mama, Mohnblumen!“.
Sein schönster Liebesbeweis für mich in dieser Woche.
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