„Nein, ich mag nicht. Ich bin jetzt einfach zu müde zum Spielen.“
Nach einem Ausflug mit der Schule kommt meine Tochter zurück. Ihre Freundin, ein Nachbarskind, im Schlepptau. Die Freundin hätte Lust noch bei uns zu bleiben. Doch mein Mädchen mag nicht. Zu viele Erlebnisse schon am Vormittag. Zu warm. Zu müde. Sie sagt „Nein.“
Nachmittags Klavierstunde.
Immer noch Müdigkeit.
Sie sitzt auf der Treppe, einen Schuh schon an.
Doch der zweite braucht ewig, bis auch er endlich am Fuß ist.
Ich merke: sie kann und will nicht gehen.
Meine Gedanken während ich sie so beobachte:
Sie war schon letzte Woche nicht. Wegen der Erkältung.
Die Klavierlehrerin wird ziemlich enttäuscht sein.
Ich habe ihr doch heute morgen persönlich zugesagt, dass unser Kind kommt.
Warum macht das Mädchen es immer so kompliziert?
Warum kann sie sich jetzt nicht einfach zusammenreißen?
In mir wächst Ungeduld und Unverständnis.
Ich fange an, sie zu bitten und gut zuzureden.
Doch sie bleibt dabei: „Nein, ich will nicht. Nicht heute.“
Kommuniziert es ganz klar. Bringt zum zweiten Mal an diesem Tag den Mut auf, ihre Bedürfnisse zur Sprache zu bringen.
Und ich fange an, zu begreifen. Und nach dem Begreifen, kommt das Bewundern.
Sie versteht längst – oder trägt noch in sich – was ich wieder mühsam lerne.
Für mich. Aber auch als Zugeständnis an die Kinder.
DABEI BLEIBEN, WENN MAN EIN „NEIN“ FÜHLT.
Also rufe ich die Klavierlehrerin an.
Und sie?
Die Antwort war ganz einfach: „Kein Problem. Nur kein Stress. Bitte machen sie keinen Druck. Das ist nicht gut für die Stimmung in der Familie. Machen sie heute das, was gut für sie alle ist.“
„WAS GUT FÜR UNS ALLE IST!!!“
(Konfettiregen, Trommelwirbel, Sektkorken und alles!)
Diese Frau zeigt doch wahre Größe.
Sie wusste, dass es nicht um sie ging.
Nicht um den Unterricht.
Sondern um meine Tochter.
Sie fühlt sich nicht persönlich getroffen, auch, wenn sie es schade findet.
Aber sie schafft es, uns mit ein paar Sätzen Freiheit zu schenken.
Dazu einen unbeschwerten Nachmittag.
Ja, es gibt Sachen, die KANN MAN NICHT absagen.
Doch in vielen Fällen möchte ich lernen, offen und ehrlich mir selbst und meinen Bedürfnissen gegenüber zu sein.
Dazu offen und großherzig anderen gegenüber.
Sei mutig und stark und fürchte dich nicht!
Nein ist ein ganzer Satz.
Foto: unsplash | Annie Spratt