Mein Papa wird heute 75.
Gestern habe ich in alten Fotos gekramt.
Ich schaue sie mir an. Dieses Bild ist 45 Jahre alt.
Er und ich.
Sehr innig. Nah.
So vertraut ist er mir.
Ich komme sehr nach ihm, hieß es immer.
Und doch ist er so anders.
Der Familienvater.
Mit Frau, dem Sohn, der Tochter.
Einen zweiten kleinen Sohn, „unseren Johannes“, haben meine Eltern, haben wir, verloren.
Ein kluger Kopf.
Im System DDR immer wieder angeeckt.
Für die Freiheit im Handeln und Denken gekämpft.
Ein Geschäft aufgebaut.
Zwei Häuser gebaut.
Eines davon mit eigenen Händen im großen Garten.
Seit 28 Jahren, seit ich 18 Jahre alt bin, dreht sich für ihn alles um meine Mama, die damals schwer krank wurde.
Und um den Haushalt. Um Bücher. Um die leckersten Kochrezepte. Um Sport, Theater, Kino, Konzerte – und seit Neuestem: um‘s Fotografieren.
Und um die Buchhandlung – immer noch.
Zugewandt. Bejahend. Annehmend.
Tapfer. Diszipliniert.
Licht und Schatten.
Traurigkeit und Freude.
Gottvertrauen. Stets neue Hoffnung.
Ein Unbequemer. Immer einen Sonderweg durchs Leben gegangen.
Einfach nicht normal.
Das Normale habe ich mir manchmal gewünscht:
Einfach so zu sein, wie alle anderen.
Einfach mal entspannt im Mainstream zu bummeln.
Eben kein harmoniebedürftiger Mensch.
Nicht immer konnten wir gut reden.
Doch nun geht es immer besser. Und oft. Und lange.
Liegt es an ihm? Liegt es an mir?
Nicht alles war gut.
Nicht alles war richtig.
Denke ich. Manchmal.
Das ist meine Geschichte.
Und irgendwie auch seine.
Nun schreibe ich schon lange an meiner eigenen Geschichte weiter.
Das Alte kann ich loslassen.
Vergeben und Verzeihen.
Ich sehe, welche Schätze ich durch ihn mitbekommen habe.
Und bin aus tiefstem Herzen dankbar.
Ich bin reich beschenkt.
Danke, Papa!